Barrierefreiheit im Netz: Was erwartet Unternehmen?

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Visitenkarte Händlerbund mit weißer Überschrift „Barrierefreiheit im Netz: Was erwartet Unternehmen?“

Hier ein Bahnticket per App reservieren, dort eine Überweisung in die Wege leiten. Für viele ist das vollkommen selbstverständlich. Doch für Personen mit einer Behinderung stellt dies eine teilweise unüberwindbare Herausforderung dar. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG), welches die Zugänglichkeit speziell für Produkte und digitale Dienstleistungen ins Visier nimmt, fokussiert nun zum ersten Mal auch Hersteller und Webseitenbetreiber.

Barrierefreiheit auf Websites wird zur Pflicht

Im Alltag sind es unüberwindbare Treppen, die die Mobilität von Menschen einschränken. Im World Wide Web ist es die fehlende Barrierefreiheit von Webseiten oder Apps, die so den Alltag für Behinderte schwer bis unmöglich machen.

Mit dem BFSG müssen betroffene Unternehmen künftig nicht nur dafür sorgen, dass ihre Online-Shops für jedermann barrierefrei zugänglich sind, sondern auch diverse Produkte und Dienstleistungen barrierefrei hergestellt werden.

Hier eine kleine Auswahl der betroffenen Produkte:

  • Betriebssysteme für Rechner, z. B. Desktops, Notebooks, Smartphones und Tablets
  • Selbstbedienungsterminals, z. B. Ticketautomaten und elektronische Ticketdienste, z. B. für das elektronische Boarding am Flughafen
  • Geräte wie der Amazon Fire TV Stick oder Spielekonsolen
  • E-Books und E-Book-Lesegeräte
  • Elektronische Kommunikationsdienste, z. B. Mobiltelefone, Tablets, Router, Modems
  • Apps

Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie für Menschen mit einer Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Was das bedeutet, ist ein denkbar weites Feld und muss künftig Schritt für Schritt erarbeitet und anhand des Stands der Technik von den Behörden festgelegt werden.

Beispiel: Fehler- und Erfolgsmeldungen auf einem Tablet sollten nicht in roter und grüner Farbe erfolgen, damit Personen mit Rot-Grün-Schwäche sie besser wahrnehmen. Formularfelder an einem Ticketautomaten müssen für Personen mit Sehbehinderung vorlesbar sein.

Welche Pflichten gibt es durch das BFSG für den Online-Handel?

Auch der reine elektronische Handel wird in die Verantwortung genommen, denn ein Händler darf ein Produkt erst auf dem Markt bereitstellen, wenn das betreffende Produkt den Barrierefreiheitsanforderungen entspricht und mit der CE-Kennzeichnung versehen ist. Andernfalls darf es nicht vertrieben werden.

Noch viel spannender ist für die meisten jedoch die Frage, welche Maßnahmen nun im Shop erforderlich sind. Dazu kommen wir jetzt.

Der barrierefreie Online-Shop muss umfassend wahrnehmbar und verständlich sein, d. h. sowohl Rechtstexte als auch Produktinformationen und sonstige Inhalte müssen für Menschen mit Behinderung aufrufbar sein. Das klingt wie so oft recht theoretisch.

Daher hier eine Checkliste:

  • Ausreichender Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrundfarbe (Schnelltest)
  • Gut lesbare Schriftart (keine Schnörkel)
  • Ausreichend große und gut wahrnehmbare Links und Schaltflächen
  • Intuitive und übersichtliche Navigation
  • Leicht verständliche Sprache (kurze, einfache Sätze, Verzicht auf Fremdwörter)
  • Sprachausgabe des Inhalts (Alternativtexte für Bilder, Videos und Text-Banner)
  • Außerdem: Verzicht auf Diskriminierung (Auswahlmöglichkeit des dritten Geschlechts und Verzicht auf Ableismus)

Über das Web Accessibility Evaluation Tool von Wave kann man eine erste Überprüfung starten. Für Webseiten gibt es neben Schützenhilfe durch die Shopsysteme selbst mittlerweile jede Menge Anbieter, die bei der Konzeptionierung und Umsetzung des Projekts Barrierefreiheit unterstützen.

Wann startet das BFSG?

Das BFSG tritt am 28.06.2025 in Kraft. Das Gesetz gilt schließlich für Produkte, die nach dem 28.06.2025 in den Verkehr gebracht werden, also zum Vertrieb auf den Markt kommen.

Barrierefreiheit im Netz als Wettbewerbsvorteil für Websitebetreiber

In Deutschland leben rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. 80 Prozent der Menschen mit Behinderung in Deutschland nutzen das Internet. Bereits jetzt sind Menschen mit Behinderungen laut Studien der Aktion Mensch öfter online als Menschen ohne Behinderung. Die Nachfrage nach zugänglichen Produkten und Dienstleistungen bleibt somit hoch.

Schaut man sich einmal gezielt um, ist der Bestand an wirklich brauchbaren barrierefreien Online-Shops Mangelware. Trotz aller technischen Möglichkeiten halten es viele Shops nicht für nötig, bei der Zugänglichkeit freiwillig mehr zu tun, als es das Gesetz (noch) fordert. Dabei ist das, abgesehen von einem guten Gewissen, verschenktes Geld. Unternehmen, die barrierefreie Dienstleistungen anbieten, erschließen nicht nur größere Absatzmärkte und Wettbewerbsvorteile. Sie sind auch gut für die Zukunft aufgestellt. Das sollte vielleicht den einen oder anderen Webseitenbetreiber veranlassen, schon jetzt loszulegen.

Autorinnenprofil

Yvonne Bachmann ist seit 2013 als Juristin beim Händlerbund. Dort berät sie Onlinehändler in Rechtsfragen und berichtet auf dem Infoportal OnlinehändlerNews regelmäßig zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche bewegen. Außerdem ist sie eine bundesweit gefragte Referentin, Interviewpartnerin und Gastautorin.

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